Der Weihnachtsbaum brennt, im ganzen Haus ist es still,
draußen weht der Wind.... Es ist Heiligabend! Millionen von Christen weltweit
feiern heute das Fest der Liebe.
Ich bin alleine, habe gerade eine Kleinigkeit gegessen und sitze
jetzt auf der Couch. Meine Gedanken kreisen um dieses und jenes.
Eben in der Kirche hat der Pfarrer noch einmal die
Ereignisse von letztem Montag in Berlin erwähnt, hat gesprochen vom Fest der
Liebe und der Geburt Christi. Vom Krieg in Syrien, den Kindern von Aleppo und
den Flüchtlingen ... Von Nächstenliebe.
Und ich habe mich gefragt, ob die Menschen, die sich dort
versammelt hatten, im Ernstfall wirklich ihren Nächsten lieben würden ... Würde
ich es tun?
Neben mir saß ein Behinderter in seinem Rollstuhl und ich
dachte: Wie geht es mir doch geht! Gesund, mobil, ... Dennoch strahlte der
junge Mann etwas aus, was mich fasziniert hat; er schien mit sich im Reinen zu
sein, obwohl er möglicherweise allen Grund hätte, sich über das Leben, sein
Leben zu beschweren.
Auf der Rückfahrt nach Hause ... menschenleere Straßen,
überall Weihnachtsbeleuchtung in den Fenstern. Dahinter, Familien, die
Weihnachten feiern ... sind es friedvolle Feiern? Oder gibt es vielleicht
Streit? Sind da vielleicht auch Fenster, hinter denen nur ein Mensch lebt,
alleine und verlassen, der sich nach Wärme und Liebe sehnt? Eine verwitwete
Mutter, die sehr gerne ihre Kinder nochmals sehen möchte? Ein Großvater, der
seinen Enkel vermisst?
Dann im Radio, der Verkehrsfunk ... Die Meldung von einer
Autobahnvollsperrung wegen eines Unfalls ... Die Sperrung soll noch gut 3
Stunden andauern ... kein gutes Zeichen für die Betroffenen ... Wie muss es
sein, wenn man an Heiligabend einen Anruf bekommt, der einem den Verlust eines
lieben Menschen mitteilt? Es ist wohl nur ein Traum, dass das Leben mit seinen
Windungen vor einem solchen Tag Rücksicht nimmt ...
Wie gesagt, ich sitze auf meiner Couch und lasse meine
Gedanken schweifen, während ich diese Zeilen schreibe...
Ich denke,...
- an die vielen Menschen, die heute Abend Ihren Dienst tun,
in Krankenhäuser, in Seniorenheimen, bei der Polizei und der Feuerwehr,
- an die Menschen, die weit von ihren Familien, ihren
Freunden, ihren Lieben sind, weil sie von ihrer Regierung als Soldatinnen und Soldaten
in irgendeinen Krieg geschickt wurden, vermeintlich um uns zu schützen,
- an eben diese Regierenden, ob sie wohl auch ihre eigenen
Kinder in den Krieg schicken würden,
- an die Menschen, die zurzeit, vielleicht aber auch schon
seit langer Zeit, einen schwerkranken Angehörigen aufopferungsvoll pflegen
- an die Menschen, die kürzlich einen lieben Menschen
verloren haben, sei es durch Trennung, Scheidung oder Tod,
- an die Menschen, die im Streit leben, mit einem Nachbarn,
einem Angehörigen, einem Freund...
- an Menschen, die in diesem Jahr Opfer einer Gewalttag
geworden sind, die unschuldig in einem der zahlreichen Attentate in Paris,
Brüssel, Berlin und sonst auf der Welt ums Leben gekommen sind,
Ich denke aber auch
an die Menschen, die, weil sie sich womöglich von der Gesellschaft
vergessen fühlen, den Parolen von vermeintlichen Heilsbringer Glauben schenken.
Ich hoffe, dass Aufklärung und Informationen diese Menschen wieder von ihrem
Irrweg abbringen werden.
Ich denke an diese radikalisierten Menschen, die als
einzigen "Ausweg" nur noch Gewalt und Terror sehen. Und frage mich,
wieso nach Tausenden von Jahren, der Mensch immer noch glaubt, Gewalt mit
Gewalt zu lösen ...
Ist dies nicht so, als würde man versuchen einen Tintenfleck
mit Tinte aus dem Hemd zu entfernen? Einem intelligenten Menschen würde dies
wohl niemals in den Sinn kommen...
Im "Großen" wird sich mit Sicherheit nicht alles
über Nacht zum Besseren wenden lassen ... Aber wie sieht es im
"Kleinen" aus? Bei jedem Einzelnen?
Vielleicht bietet das Fest der Liebe die Gelegenheit,
- dem Nachbarn, dem Angehörigen, dem Freund zu verzeihen und
endlich auf ihn zuzugehen?
- seinen Liebsten nochmals zu sagen, wie sehr wir sie
lieben?
- denen, die leiden, Beistand zu geben?
- Opa und Oma
nochmals zu besuchen?
- und vieles andere
mehr...
Herzlichst, André Leyens